Künstlerin

Stefanie Grohs, geboren 1974 in Gießen, studiert von 1995-2000 Kunstpädagogik und Lehramt an der Justus-Liebig-Univeristät in Gießen, u.a. bei Johannes Stüttgen. 1998 belegt sie ein Semester „Art History“ an der New York University. Bis 2007 arbeitet sie als Lehrerin und widmet sich ab 2006 intensiv ihrer künstlerischen Weiterbildung: Sie studiert als Gast bei Lucie Beppler an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Fotografie bei Martin Liebscher an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Die ersten Collagen entstehen im Rahmen einer Sommerakademie in Dresden in der Zusammenarbeit mit Marion Eichmann. Von 2007 bis 2010 besucht sie die Städelabendschule bei Vroni Schwegler. Ihre Arbeiten sind seit 2007 in Frankfurt und auch bundesweit in diversen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. Heute lebt und arbeitet sie als freie Künstlerin und Lehrerin in Frankfurt am Main.

Im Jahr 2007 beginnt die Künstlerin im Rahmen ihrer eigenen Familienforschung, Reisen nach Tschechien und Polen zu unternehmen. Die Familie väterlicherseits stammt aus dem Sudetenland; sehr berührt hat sie immer die Lebensgeschichte ihrer Großmutter Martha. Auf einer dieser Reisen besucht sie – losgelöst von der Familienforschung – die Gedenkstätte in Auschwitz. Es entsteht eine große Fassungslosigkeit in ihr darüber, dass an diesem Ort Menschen zu Nummern wurden und somit ihre Identitäten ausgelöscht wurden. Ebenso darüber, wie es geschehen konnte, Fabriken zur systematischen Tötung von Menschen zu bauen. Als “Enkelin des Tätervolkes” erkennt sie die Notwendigkeit, für sich selbst Stellung beziehen:

„Ich hatte das Gefühl, meine eigene Familiengeschichte verleugnen zu müssen, kein Recht mehr zu haben, sie betrauern zu dürfen. Dieser Konflikt und die Unfähigkeit, ihn zu lösen, führten mich über einige Jahre immer wieder nach Auschwitz. Dort begann ich das Kleidungsstück eines ehemaligen Häftlings zu zeichen. Ein Kleid, das eine Mutter während der Haft für ihr Kind heimlich aus ihrer eigenen Decke nähte. Marianna und ihre Tochter Maria überlebten Auschwitz, ihre Geschichte und die der Entstehung des Kleides berührten mich sehr.“

Aus diesen Reflexionen kristallisiert sich ein Projekt, das mit der eigenen Familiengeschichte der Künstlerin zusammenwächst. In der bislang noch nicht gezeigten Ausstellung “Martha und Marianna” thematisiert sie den inneren Konflikt, den sie mit vielen Deutschen teilt: ein eigenes Familienschicksal zu haben, es betrauern zu wollen und dabei dem Tätervolk anzugehören, das für die Verbrechen der Nationalsozialisten verantwortlich ist. „In mir ist das dringende Bedürfnis gewachsen, neben der Darstellung des beschriebenen Konfliktes, damit auch zum Erinnern und Gedenken an diese Geschehnisse beizutragen. Die Zeitzeugen werden nicht mehr lange erzählen können, und besonders die jüngere Generation weiß wenig über dieses Thema.“

Seitdem setzt sich Stefanie Grohs intensiv mit dem Nationalsozialismus und den beschriebenen Themenbereichen vielfältig auseinander. Geblieben aus der Zeit in Auschwitz ist für sie auch die Beschäftigung mit der Tatsache, dass Menschen zu numerierten Objekten degradiert wurden. Seit etwa 2011 sind ihre Arbeiten inhaltlich geprägt vom Versuch einer visuellen Darstellung von Identitätslosigkeit und dem Verlust von individuellen Zügen, indem sie diese durch fiktive Nummern ersetzt.

Text: Sonja Clemente

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